Interview mit Silvio s.

Silvio S. trägt nicht zufällig eine weite Jacke im Indianerlook. Doch dazu später. Wie vielen Menschen, die an Schizophrenie leiden, sieht man auch ihm die Krankheit nicht an. Obschon er das volle Programm erlebt hat: Stimmen hören, sehr belastende Stimmen hören, lange Aufenthalte in der Psychiatrie, Psychopharmaka in grossen Dosierungen usw. Seit etwa vier Jahren ist er stabil, «gut eingestellt», wie man sagt, er wirkt beim Gespräch fröhlich und zufrieden.


Herr S., wie geht es Ihnen heute?

Mir geht es gut, danke. Ich habe einen geschützten Arbeitsplatz in der Gastronomie, das Team ist toll, die Arbeit gefällt mir. Mein Ziel ist es, eine sogenannte Peer-Ausbildung zu machen, dies ist ein neueres Angebot der IV. Man spricht von der «Recovery-Bewegung». Es geht darum, dass sich Krankheitsbetroffene austauschen bzw. gegenseitig unterstützen können. Mein Fernziel bleibt der erste Arbeitsmarkt, vielleicht über eine FAGE-Lehre, ich kann gut mit Menschen umgehen.

 

Wie war das für Sie, als man Ihnen einen Beistand zur Seite stellte?

Zuerst war es eine Frau, die habe ich nicht so gemocht, aber seit Herr R. mein Beistand ist, bin ich sehr zufrieden.

 

Was macht Herr R. denn besser?

Das Wichtigste ist, dass er hinter mir steht. Er unterstützt mich, glaubt an mich. Als ich ihn bat, einen Wochenendkurs über indianische Rituale besuchen zu dürfen, hat er Ja gesagt, obwohl der Kurs 150 Franken kostete.

 

Indianische Rituale?

Kennen Sie Chief Seattle? Er hielt eine berühmte Rede vor dem amerikanischen Präsidenten, als man den Indianern ihr Land «abkaufen» wollte. Er sagte, dass man das Glitzern auf den Seen nicht verkaufen könne, stellte die Verbindung zwischen Mensch und Natur her. Das fasziniert mich, ich lese viel darüber und bin froh, dass mir mein Beistand geholfen hat, diesen Kurs besuchen zu können.

 

Wie sieht die Zusammenarbeit mit ihrem Beistand konkret aus?

Er macht in erster Linie die Finanzen für mich. Wir haben regelmässig telefonisch Kontakt und sehen uns so alle 3 Monate. Wir besprechen jeweils verschiedene Sachen, zwei Hirne sind besser als eins.

 

Kann oder konnte er Ihnen auch in anderen Belangen helfen, beim Wohnen, bei der Arbeitssuche?

Das Wohnen ist halt ein Problem. Eigentlich wünsche ich mir eine eigene Wohnung. Ich habe es mit WGs versucht, aber es hat nicht geklappt. Jetzt bin ich in einem betreuten Wohnen. Ich sehe schon ein, dass ich noch etwas Unterstützung brauche, aber eigentlich möchte ich eine eigene Wohnung haben. Mein Beistand unterstützt mich, aber es ist halt schwierig, viele Vermieter wollen nicht an IV-Bezüger vermieten. Mein Beistand hilft mir auch bei den Verhandlungen mit der IV wegen der Ausbildung und im Kontakt mit Noveos, dort geht es um Arbeitsmarktintegration.

 

Fühlen Sie sich durch den Beistand stark eingeschränkt oder können Sie selber bestimmen?

Ich fühle mich nicht eingeschränkt, er unterstützt mich, steht hinter mir. Wie gesagt, zwei Hirne sind besser als eins, er ist ein guter Beistand.

 

Was würden Sie sich vom Beistand noch wünschen?

Eine eigene Wohnung wäre super, aber da kann er auch nicht zaubern. Die Zusammenarbeit ist gut, ich bin ja auch kooperativ (lacht).

 

Ich bedanke mich bei Herrn S. für das Gespräch. Wir bleiben noch eine Weile sitzen, reden über den heiligen Baum (indianisches Weisheitsbuch) und darüber, wie man den Cannabis-Konsum in den Griff bekommt. Silvio S. diskutiert engagiert und differenziert, man merkt, dass er vieles erlebt und durchgemacht hat. Er wäre sicher ein interessantes Mitglied für eine IV-Peer-Gruppe.